Nachgebauter Deportationswagon der Gedänkstätte Ravensbrück
Unzälige Menschen wurden unter der nationalsozialistischen Herrschaft erniedrigt, verfolgt und verschleppt. Erna de Vries ist eine von vielen. Dennoch bleibt ihr Schicksal ein Besonderes: Nur wenige Frauen haben wie sie eine Nacht im Todesblock 25 in Auschwitz-Birkenau verbracht und überlebt. Die folgenden Seiten schildern ihre bewegende Geschichte.
Deportation

Am Morgen des 6. Juli 1943 erfährt Erna Korn von einem Nachbarn in der Eisengießerei, dass ihre Mutter deportiert werden soll. So schnell wie möglich fährt sie mit dessen Fahrrad nach Hause, wo man ihr erklärt, dass nur ihre Mutter, nicht aber sie selbst deportiert werden soll. Erna besteht darauf, ihre Mutter wenigstens bis zum Gefängnis in Saarbrücken zu begleiten.

Nun musste ich meine ganze Überredungskraft einsetzen, diesen Mann davon zu überzeugen. Wenigstens bis Saarbrücken sollte er mich mitnehmen, hab ich ihm gesagt. Und dass ich ja doch in Kürze wegkommen würde, entweder in einem Monat oder in zwei Monaten, aber ich würde auch deportiert werden. Das wäre doch - flapsig gesagt – ein Aufwaschen. Und als wir in Saarbrücken waren, war er soweit. So bin ich mit meiner Mutter ins Gefängnis Saarbrücken gekommen. Sie war unglücklich, dass ich das geschafft habe. Aber das war mir ganz egal. Ich war jung, ich war damals 19 Jahre alt, mir war das ganz egal, ich wollte bei meiner Mutter sein.Erna de Vries, 2006

Während der Fahrt überzeugt sie die Beamten, sie gemeinsam mit ihrer Mutter zu deportieren. Nach einigen Tagen im Gestapo-Gefängnis erfährt Erna Korn, dass Jeanette Korn nach Auschwitz-Birkenau gebracht werden soll. Obwohl sie durch Berichte des in Deutschland verbotenen Rundfunksender BBC London von dem Vernichtungslager weiß, ändert Erna ihre Meinung nicht. Sie will unter allen Umständen mit ihrer Mutter zusammenbleiben.

Sie wird angewiesen, ihren Koffer aus Kaiserslautern zu holen und noch am selben Abend um fünf Uhr zurück zu sein. Nach einer Zugfahrt und einen Fußmarsch quer durch die Stadt findet Erna ihr Elternhaus versiegelt vor. Erneut muss sie durch die ganze Stadt zur zuständigen Kriminalpolizeistelle laufen. Nachdem ihr aufgeschlossen wurde, kann sie endlich das Haus betreten und ihren Koffer holen. Drei Nachbarinnen beobachten dieses und kommen herüber, um zu erfahren, was geschehen ist. Während Erna berichtet, realisiert sie, dass sie es mit dem schweren Gepäckstück niemals rechtzeitig zum Bahnhof schaffen wird. Um den Zug nach Saarbrücken noch zu erreichen, entschließt sie sich, den Koffer zurückzulassen, und macht sich zu Fuß auf den Weg zum Bahnhof. Während sie am Bahnsteig auf die Einfahrt des Zuges wartet,  kommen die drei Nachbarinnen und bringen ihr das wichtige Gepäckstück mit einem Bollerwagen hinterher.

So gelingt es Erna Korn mit ihrem Koffer rechtzeitig im Gefängnis in Saarbrücken zu erscheinen. Jeanette Korn ist bestürzt darüber, dass ihre Tochter die Beamten überzeugt hat, sie ebenfalls zu deportieren; Erna selbst aber ist glücklich, dass beide zusammen bleiben können.

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