Erna und Josef de Vries vor ihrem Haus in Lathen.
Unzälige Menschen wurden unter der nationalsozialistischen Herrschaft erniedrigt, verfolgt und verschleppt. Erna de Vries ist eine von vielen. Dennoch bleibt ihr Schicksal ein Besonderes: Nur wenige Frauen haben wie sie eine Nacht im Todesblock 25 in Auschwitz-Birkenau verbracht und überlebt. Die folgenden Seiten schildern ihre bewegende Geschichte.
Nachkriegszeit in Köln und Lathen

Im Oktober 1945 fährt Erna Korn nach Schwerin mit dem Ziel, dort einen Ausweis zu beantragen. Durch Zufall gelingt es ihr, Kontakt zu ehemaligen Häftlingen aufzubauen und mit ihnen über die russisch-britische Sektorengrenze nach Köln zu gelangen. Hier verbringt sie ein Jahr bei ihren Verwandten und lernt Josef de Vries kennen, den sie 1947 heiratet. Gemeinsam ziehen sie ins emsländische Lathen, den Heimatort ihres Mannes. Josef de Vries ist ebenfalls Jude und war zwischen 1939 und 1945 in den Konzentrationslagern Neuengamme, Sachsenhausen und Auschwitz-Birkenau inhaftiert. Bis zu seinem Tod spricht sie häufig mit ihm über die Zeit im Lager. Ihre ähnlichen Erfahrungen helfen beiden, die schrecklichen Ereignisse zu verarbeiten.

Mein Mann war sechs Jahre im Lager. Auch wenn er es überstanden hat, hat er seine ganze erste Familie verloren, seine Frau und sein Kind. Ich habe mit ihm gesprochen, immer wieder, immer wieder. Und ich messe dem zu, dass wir das so einigermaßen verarbeiten konnten. Immer wieder davon sprechen, dass der andere ganz genau wusste, wovon man spricht.Erna de Vries, 2006

Seit 1998 besucht Erna de Vries Schulen und Bildungsstätten und erzählt jungen Deutschen ihre Geschichte. Für ihren Einsatz gegen das Vergessen verleiht ihr die Gemeinde Lathen im Jahre 2004 die Ehrenbürgerschaft. Im März 2006 erhält die mittlerweile 83-jährige die Verdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland. Heute erfüllt Erna de Vries den Auftrag ihrer Mutter: „Du wirst überleben, und dann wirst du erzählen, was man mit uns gemacht hat.“

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